Wie kann ich die Synodalversammlung verfolgen?
Dokumente, Reden und Beiträge zum Synodalen Weg sind unter www.synodalerweg.de verfügbar. Live übertragen wird die Versammlung unter anderem auf dem Youtube-Kanal der Bischofskonferenz.
AKTUELL
Vierte Synodalversammlung 8. bis 10. September 2022
Materialien
https://www.synodalerweg.de/dokumente-reden-und-beitraege#c4596
Stephan Langer
Synodaler Weg
Das Gerücht vom Sonderweg
Die vierte Synodalversammlung wird eine entscheidende Etappe. Das zeigt allein schon der aktuelle Eifer der Reformgegner.
Hoffnungsvoll, ja geradezu beschwingt gingen viele Synodale nach der letzten Plenarversammlung vor einem halben Jahr auseinander. Der befürchtete große Knall war ausgeblieben, man hatte weitgehend konstruktiv zusammengearbeitet – und so konnten schließlich die ersten Texte beschlossen werden. „Ich bin zuversichtlich, dass uns der Durchbruch in eine veränderte Kultur gelingt: deutlich partizipativer, gerechter, in geteilter Verantwortung aller, die durch Taufe und Firmung zum Gottesvolk gehören“, erklärte Bischof Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Co-Präsident des Synodalen Wegs, am Ende des Treffens.
Der Optimismus schien berechtigt, zumal auch die Großwetterlage zunächst in Richtung Aufbruch drehte: Kurz vor dem Treffen in Frankfurt war die Initiative #OutInChurch an die Öffentlichkeit gegangen. Sie hatte mutmaßlich noch dem Letzten deutlich gemacht, wie unabdingbar Reformen sind. Denn sie zeigte auf berührende, oft erschütternde Weise, dass die Kirche das Evangelium verrät, wenn sie Menschen, die nicht in die lehramtliche, längst durch die Naturwissenschaften überholte Anthropologie passen, weiterhin ausgrenzt, sanktioniert und demütigt, insbesondere im kirchlichen Dienst.
Zusätzlichen Rückenwind gab es durch eine Petition, die bekannte Persönlichkeiten unmittelbar nach der Synodalversammlung starteten. Mehr als 16000 Menschen haben diese Frankfurter Erklärung: Für eine synodale Kirche bislang unterschrieben. Es ist ein– trotz allem – zuversichtlicher, nach vorne gerichteter Text, in dem es etwa heißt: „Wir nehmen den Geist synodaler Beratungen und Entscheidungen als eine Inspiration wahr, neue Wege zu finden, um den Menschen unserer Zeit den Gott des Lebens nahezubringen.“
Grüne Welle für den Synodalen Weg also? Keine weiteren Schlaglöcher mehr bei diesem Projekt, das–daran sei an dieser Stelle ausdrücklich erinnert – ja buchstäblich aus der Not geboren ist? Und zwar aus dem Leid so vieler, die durch die real existierende Kirche verletzt und teilweise um ihr Leben gebracht wurden. Der Urgrund des Synodalen Wegs war und ist es ja, die systemischen Ursachen für sexuellen und geistlichen Missbrauch zu beseitigen. Genau darum geht es, nicht um eine kirchenpolitische Agenda.
Doch die Nein-Sager schert das nicht. Sie waren durch die Erfolgsmeldungen höchst alarmiert und versuchen seither, massiv dagegenzuarbeiten. Rückblickend bekommt man ja kaum noch zusammen, was in den letzten Monaten alles aufgefahren wurde: Es gab ablehnende bis gehässige Wortmeldungen, „besorgte“ Offene Briefe aus aller Welt, zuletzt ein anonymes Abkanzeln des Synodalen Wegs seitens des Vatikans. All diese Anwürfe müssen den Eindruck einer „konzertierten Aktion“ erwecken, resümierte Philippa Rath soeben in der Herder Korrespondenz. Die Benediktinerin beklagt zudem den immer aggressiveren Ton in der Debatte. „Selbstgerechtigkeit und Schubladendenken haben mancherorts Einzug gehalten – so weit, dass reformwilligen Kräften das Katholisch-Sein und die Liebe zur Kirche abgesprochen, sie als Häretiker und Ungläubige diffamiert und sogar persönlich angegriffen und verleumdet werden.“
Es stimmt leider: Die meisten Reformverweigerer suchen gerade keinen Dialog. Sie wollen sich gar nicht mit den Zielen, Vorschlägen und theologischen Argumenten des Synodalen Wegs auseinandersetzen. Vielmehr lehnen sie das ganze Projekt als Verrat am Katholischen ab. Andernfalls hätten sie doch auch eines der vielen Gesprächsangebote angenommen! Aber bis heute legt etwa der Vatikan keinerlei Interesse an den Tag, das Präsidium des Synodalen Wegs überhaupt nur zu empfangen. Ob das daran liegt, dass Bischof Bätzing klargemacht hat, es werde mit ihm keine klerikalen Kungeleien geben? Er signalisierte ja von Anfang an, dass er nur mindestens im „Doppelpack“ nach Rom gehen werde, gemeinsam mit seiner Co-Vorsitzenden Irme Stetter-Karp, der Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).
So muss man für die letzten Monate tatsächlich eine deutliche Verschlechterung des Gesprächsklimas feststellen, vermutlich wesentlich von der Angst vor Veränderung getrieben. Teilweise geradezu schäbig ging es zur Sache. Traditionalisten konterkarierten und diffamierten den Reform-Prozess bis zur Unkenntlichkeit, damit er auch ja ins eigene Feindbild passte.
Und dann die jüngste Wortmeldung aus dem Vatikan … „Zwölf Zeilen Unsinn“, wie der Jesuit, Publizist und CIG-Autor Andreas R. Batlogg in seinem Blog schreibt. Dass das scharf, aber treffend ist, offenbart schon der zweite Satz der Erklärung. „Der ‚Synodale Weg‘ in Deutschland ist nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten“, heißt es da. Damit wird etwas unterstellt und der Öffentlichkeit präsentiert, was in der Satzung des Synodalen Wegs ohnehin ausgeschlossen ist. Dort steht eindeutig, dass es selbstverständlich Themen gibt, die „einer gesamtkirchlichen Regelung vorbehalten sind“. Somit sagt das Dokument mehr darüber aus, wie der Synodale Weg in Rom gesehen wird, als darüber, wie er wirklich ist.
Auch der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz attackierte in einem Offenen Brief den Synodalen Weg pauschal. Erzbischof Stanislaw Gadecki schrieb im Februar: „Vermeiden wir die Wiederholung abgedroschener Slogans und Standardforderungen wie die Abschaffung des Zölibats, das Priestertum der Frauen, die Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene oder die Segnung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften.“ Nur ein einziger Punkt sei aus dieser Empörungskaskade herausgegriffen, das Thema Zölibat. Wer in den entsprechenden Handlungstext des Synodalen Wegs schaut, wird ein sehr positives „Ja zum Zölibat“ finden: „Ein Ja zur priesterlichen Ehelosigkeit als einem angemessenen Zeugnis, als realem Symbol der Ausrichtung des Lebens auf den Herrn. Diese ist getragen von einer langen Tradition, geistlicher Erfahrung und von der gemeinschaftsstiftenden Kraft der viele Priester verbindenden Entscheidung für den Zölibat.“ Wo genau steht da jetzt der Passus von der angeblich geforderten „Abschaffung“ des Zölibats? Das Gegenteil ist der Fall: Die Ehelosigkeit der „Weltpriester“ soll ausdrücklich erhalten bleiben, wertgeschätzt und wiedergewonnen werden – aber freiwillig sein. Nichts anderes schlägt das Forum vor. Damit lässt sich freilich nicht so gut Stimmung machen…
Selbst aus dem Vatikan kam inzwischen das Eingeständnis, dass ein solches Vorgehen mehr als zweifelhaft ist. „Ich denke, eine brüderliche Korrektur und ein Dialog sind etwas sehr Positives“, sagte – ebenfalls in der Herder Korrespondenz – Kardinal Mario Grech, der Generalsekretär der Bischofssynode. „Warum aber eine öffentliche Denunziation? Das hilft nicht. Es polarisiert nur zusätzlich.“
Angesichts der vielen Anfeindungen in den letzten Monaten kann man die Verantwortlichen nur dafür loben, wie sachlich sie immer noch auf die ganzen Angriffe reagieren. Insbesondere Georg Bätzing legt ein ums andere Mal dar, dass der Synodale Weg eben kein deutscher „Sonderweg“ ist, dass man keine zweite Reformation, kein Schisma beabsichtige, indem man etwa das Priestertum abschaffen wolle (wie ein weiterer verzerrter Vorwurf lautet).
Es geht nicht darum, den Synodalen Weg heiligzusprechen. Das Format hat sicher auch Fehler und Schwächen – wie sollte es anders sein? Zu fragen wäre zum Beispiel, warum es so wenig gelungen ist, das Projekt wirklich vor Ort in den Gemeinden zu verankern. Einige unterstellen deshalb, dass da wieder einmal nur die „üblichen Verdächtigen“ die Dinge unter sich ausmachen. Genauso ist es mit dem Wirken in die Gesellschaft hinein. Manch einer wünscht sich mehr prophetische Zeitansage anstatt des notwendigen Aufräumens im eigenen Haus – vielleicht liegt die Wahrheit ja irgendwo dazwischen. Und warum ist es nicht besser gelungen, die geistliche Dimension des Ganzen zu vermitteln? So macht man sich unnötig angreifbar für das oft wiederholte „Totschlagargument“, es brauche keine Strukturreformen, sondern vor allem einen geistlichen Neuanfang (um den es ja wesentlich geht).
Andere kritisieren das hohe Tempo, welches ja tatsächlich dazu führt, dass vielleicht noch nicht alles sprachlich und inhaltlich aufeinander abgestimmt ist und gut aufeinander aufbaut. Fairerweise muss da aber gesagt sein, dass es auch das Gegenteil gibt: Etlichen geht es nicht schnell, nicht weit genug.
Damit zusammen hängt die Art und Weise der Kommunikation, die noch nicht optimal zu laufen scheint. Denn wie kann es sein, dass jemand wie der Wiener Kardinal Christoph Schönborn den Eindruck bekommt, er müsse vor der Instrumentalisierung des Missbrauchs warnen? Oder dass doch so viele in der Weltkirche meinen, die Kirche in Deutschland wolle evangelisch werden, wie selbst Papst Franziskus – süffisant und wenig hilfreich – meinte? Dass sich jetzt so deutlich wie nie seit Beginn des Synodalen Wegs zwei Lager gegenüberstehen, liegt sicherlich an den anstehenden Entscheidungen, auch an mancher Blockadehaltung – aber womöglich auch an zu wenig Kommunikation.
Es gibt also gewiss noch Verbesserungsbedarf. Allerdings haben wir auch nichts Besseres als dieses Format. Im Gegenteil: Es ist das Beste, Intensivste, Konkreteste, was die Kirche in Deutschland seit langem aufgeboten hat. Es ist ein geistlicher Prozess. Und es ist ein Weg, der möglichst keine Sieger und Verlierer hinterlassen sollte. Deshalb ja auch die Synodalität, die sich unter anderem in dem besonderen Abstimmungsverfahren äußert. Es wird nämlich nicht einfach über die Textvorlagen abgestimmt, und eine womöglich knappe Mehrheit trägt dann den „Sieg“ davon. Sondern man will möglichst viele „mitnehmen“. Die Entscheidungen sollen eine breite Basis haben. Formal stellt die Satzung dies dadurch sicher, dass endgültige Beschlüsse nur dann zustande kommen, wenn sie von einer doppelten Zweidrittelmehrheit getragen werden: sowohl bei den Teilnehmenden insgesamt als auch unter den Bischöfen.
Das Format hat sicher Fehler und Schwächen – wie sollte es auch anders sein? Allerdings haben wir nichts Besseres. Der Synodale Weg ist das Intensivste und Konkreteste, was die Kirche in Deutschland seit langem angeboten hat.
Es gibt einige wenige in Rom, die das wahrnehmen. „Ich habe Vertrauen in die katholische Kirche in Deutschland und in die Bischöfe, dass sie wissen, was sie tun“, erklärte etwa Mario Grech. Immerhin. Aber selbst bei ihm, dem eigentlich Wohlmeinenden, kommen die Laien nicht ausdrücklich vor. Auch das zeigt, mit welchem Argwohn, ja Misstrauen Rom dem Synodalen Weg begegnet. Am liebsten würde man das deutsche Projekt einfach in den weltweiten Prozess der Bischofssynode zum Thema Synodalität einbinden, einhegen, es ganz dort aufgehen lassen.
Dieser „Schuss“ könnte freilich aus Sicht der Verhinderer nach hinten losgehen. Denn immer mehr Bistümer melden derzeit die Ergebnisse ihrer Befragungen nach Rom. Und siehe da: „Bei weitem nicht nur in Deutschland wird nach einem transparenteren und partizipativeren Umgang mit Macht, nach einer weiterentwickelten, besser vermittelbaren Beziehungs- und Sexualethik, nach einer zukunftsoffeneren Gestaltung priesterlicher Existenz und nach einer verantwortungsvolleren und sichtbareren Rolle der Frauen in der Kirche gefragt“, wie Georg Bätzing und Irme Stetter-Karp in einem aktuellen gemeinsamen Wort festhalten. Von wegen also deutscher Sonderweg…
Weiter geht dieser Weg mit der vierten Synodalversammlung vom 8. bis 10. September in Frankfurt.
Was steht auf dem Programm?
Im Mittelpunkt stehen Abstimmungen über 14 Vorlagen, die aus allen vier Synodalforen kommen. Es geht sowohl um Grundlagentexte als auch um (konkrete) Handlungstexte. Neun der 14 Dokumente werden bereits in zweiter (mutmaßlich entscheidender) Lesung beraten.
Was sind die drei heißesten Eisen?
1) Der Handlungstext Synodalität nachhaltig stärken sieht die Einrichtung eines Synodalen Rats auf Bundesebene vor. Er soll paritätisch von den Diözesanbischöfen und Laienvertretern besetzt sein und „Grundsatzentscheidungen von überdiözesaner Bedeutung“ treffen können. Das Anliegen dahinter ist es, „das Miteinander von Bischöfen und Gläubigen…zur ständigen Praxis werden“ zu lassen– Synodalität auf Dauer zu stellen, wie es oft heißt.
Bei diesem Antrag ist noch vieles unklar: Wie gliedert sich der Synodalrat in die bestehende Gremienlandschaft ein? Wie werden Doppelstrukturen vermieden? Wie „passt“ ein deutschlandweiter Rat überhaupt zur Organisation der katholischen Kirche, in der die Bistümer die entscheidende Größe sind? Ein Knackpunkt ist insbesondere natürlich, dass bei diesem Modell die Bischöfe Macht abgeben müssten…
2) Der Handlungstext Der Zölibat der Priester – Bestärkung und Öffnung spricht sich dafür aus, dass auf Ebene der Weltkirche „neu geprüft“ wird, ob „die Verbindung der Erteilung der Weihen mit der Verpflichtung zur Ehelosigkeit“ zwingend ist. Langfristiges Ziel ist eine „allgemeine Freistellung des Zölibatsversprechens“, erster Schritt dahin soll die Weihe sogenannter bewährter Männer (viri probati) sein.
Gerade die „priesterliche Existenz“ wurde in den vergangenen Monaten sehr emotional diskutiert, was unter anderem an dem etwas verunglückten Auftrag der dritten Synodalversammlung lag, zu prüfen, ob es ein Priesteramt überhaupt brauche.
3) Der Handlungstext Lehramtliche Neubewertung von Homosexualität kann stellvertretend für die kontrovers diskutierten Positionen des gesamten Forums IV gelten. Er geht davon aus, dass Sexualität weit komplexer ist als das, was die Kirche dazu sagt. Mehrere Anträge sehen vor, dass die Lehre weiterentwickelt werden soll. Aber auch ganz konkrete Veränderungen wie etwa die Überarbeitung des Weltkatechismus (ähnlich wie es im Fall der Todesstrafe möglich war) oder die (bereits laufende) Revision der Grundordnung des kirchlichen Dienstes werden angemahnt.
Wenn ich nur einen einzigen Text lesen könnte?
Dann lesen Sie den Grundtext des „Frauenforums“, der ebenfalls zur zweiten Lesung ansteht. Denn er steht beispielhaft für die Arbeit des Synodalen Wegs: Theologisch auf der Höhe der Zeit, wird hier ruhig und sachlich argumentiert, biblisch, kirchengeschichtlich, ökumenisch, systematisch-theologisch… Sein Anliegen ist es, die von Papst Johannes Paul II. zugeschlagene Tür beim Thema Frauenordination („keine Vollmacht“) wieder zu öffnen. Da es dafür spätestens auf Ebene der Weltkirche aktuell keine Mehrheit gibt, ist diesem Text jede Beachtung zu wünschen, damit er nicht einfach zu den Akten gelegt wird.
Was geht durch? Was wird abgelehnt?
Von der Gewaltenteilung über das Priesterbild bis hin zur geschlechtlichen Vielfalt bieten sehr viele Themen das Potential für emotionale Diskussionen. An jedem dieser Punkte können die Beratungen auch eine Eigendynamik entwickeln und grundsätzlich werden. Zu erwarten ist, dass Texte eher an der fehlenden Zweidrittelmehrheit der Bischöfe scheitern als an der fehlenden Mehrheit des Gesamtplenums. Zur Erinnerung: Nur 23 Bischöfe müssen mit „Nein“ stimmen, um eine Vorlage zu Fall zu bringen. Diese Grenze ist schnell erreicht und war bereits bei den bisherigen Synodalversammlungen immer wieder in Sicht. Irme Stetter-Karp hat dazu erklärt: „Wir können nicht erwarten, dass wir alle Texte durchbekommen, das wäre verwegen und auch aus demokratietheoretischer Sicht problematisch.“
Stephan Langer
Chefredakteur bei CHRIST IN DER GEGENWART.
Quelle: CHRIST IN DER GEGENWART 2022, Heft 36, S. 3-4
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