Liebe Schwestern und Brüder,
wir sind mitten im Wandel, in einem großen Umbruch, in unserer Gesellschaft, in der Welt, in der Kirche. Und jeder Wandel, jede große Veränderung ist auch eine Nacht. Denn die alten Paradigmen versagen, wir haben keine Parameter mehr, um die Situation zu verstehen. Es ist verwirrend und wir bekommen Angst. Es ist paradox: denn einerseits ersehnen wir uns diesen Wandel. Wir spüren sehr deutlich, dass diese Art zu leben an ein Ende gekommen ist. Und gleichzeitig wollen wir den Wandel nicht, er ist nicht erwünscht, denn wir müssten uns ja ändern. Insgesamt sind wir inmitten von ambivalenten Gefühlen, inmitten einer großen Unübersichtlichkeit und Komplexität. Und das merken wir daran, dass der Ton der Auseinandersetzung rauer geworden ist. Polarisierung ist so ein Stichwort – sie bezeugt den Kampf der Interpretation um diesem Umbruch. Und so suchen viele nach Orientierung, nach starken Männern, nach populistischer Einfachheit und Lösungsvorschlägen, die simpel zu sein scheinen. Sie alle zielen auf Sicherheit und auf eine Rückkehr zu verheißungsvoll alten Zeiten.
Wir als Kirche sind in derselben Situation. Wir leben einen ungeheuren „Klimawandel“ der sich seit mehr als 60 Jahren abzeichnet und in allen Generationen wirksam wird. Glauben wird völlig anders – und damit auch Kirche. Glauben, christlich geprägter Glaube liegt nicht mehr einfach vor. Für Niemanden ist Glaube selbstverständlich, für jeden ist Glaube ein Weg, eine Wanderung, eine Spur hin zu einer Begegnung mit dem Geheimnis, das Christus ist. Und wenn Glaube dann wächst aus einer unplanbaren und nicht erziehbaren Begegnung, dann wird auch Kirche ganz anders. Es geht um Räume der Erfahrung, um anziehende Gegenwart und Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, um Atmosphäre der Freiheit und der Freude. Das hat allerdings nichts mehr mit vorgegebenen Sozialformen zu tun, sondern mit flüssigen Erfahrungsräumen. Die Welt ist voll von Gott. Sie ist nicht gottlos, mitten in ihr, im Engagement, in der Leidenschaft für das gute Leben, für die Liebe, für die Solidarität, für die Gerechtigkeit und den Frieden ist der Geist wirksam.
Möge uns die Advents- und auch Weihnachtszeit offen machen für Gottes Geist. Im Namen des gesamten Pastoralteams wünsche ich Ihnen und allen, die zu Ihnen gehören, eine gesegnete Zeit!
Bernd Steinrötter Pastor
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